March 16, 2014

Tag 159 bis 169: Nepal - das Land des Lächelns

Tag 159: Ein Grenzübergang (fast) nur für Fahrräder und Kutschen

 

Mal wieder werden wir um 5:00 Uhr vom Gesang eines nahegelegenen Tempels geweckt und so starten wir sehr früh aus Satis... auf den Weg zur Grenze nach Nepal.

Einen letzten Gedanken über Indien möchte ich noch teilen, den wir auch beim Frühstück wieder zu spüren bekommen haben und der auch helfen kann Inder bei uns besser zu verstehen. In Europa befindet sich jeder in einer kleinen Blase, die den Abstand zu anderen Personen und deren Eigentum beschreibt, der fast immer eingehalten wird z.B. bei Gesprächen oder in einer Schlange. Jeder Mensch hat eine gewisse Privatsphäre in die insbesondere Fremde, aber oft auch gute Freunde nicht eindringen z.B. Fragen, die man nicht stellt etc. Weder dieser Abstand noch diese Privatsphäre existieren in Indien. Nicht etwa, dass die Leute hier diese nicht respektieren, sondern es gibt sie einfach nicht. Und was nicht existiert, kann man auch nicht überschreiten. Wir bemerken dies, wenn sich alle um unser Fahrrad versammeln und klingeln, bremsen, die Ortliebs anfassen und die Pedalen mit ihren Füssen testen. Oder aber wenn sie uns fragen, wieviel unser Fahrrad gekostet hat. Dies ist ein grosser und vielleicht schwierig zu akzeptierender Teil der hiesigen Kultur, aber man muss sich im Klaren sein, dass für uns ungeschriebene Regeln, die hier nicht existieren, hier logischerweise auch nicht eingehalten werden. Und so lassen wir unser Fahrrad immer mal wieder Probefahren und alles bis aufs kleinste Detail anschauen, anfassen und ausprobieren :-)

 

 

Und dann geht es durch einen Bazaar über einen immer kleiner werdende Strasse zur Grenze. Die letzten 3 Kilometer gibt es nur noch Kutschen und Radfahrer. Der wahrscheinlich ruhigste Grenzübergang, den wir bis jetzt gesehen haben. (Später erfahren wir, dass er für Autos nur 3 mal am Tag eine Stunde geöffnet ist).

 

 

Es geht über eine riesige Brücke zum indischen Grenzposten, ein kleiner offener Bungalow. Auf den Beamten warten wir ca. 20 Minuten.

Auf nepalischer Seite ist es kaum anders und wir wären glatt vorbeigefahren, wenn man uns nicht gerufen hätte. Für 40$ bekommen wir ein Visum für einen Monat; diesmal auch Ivan.

 

Und dann kommen wir in Mahendranagar an, der ersten Stadt nach der Grenze. Auch hier bleibt es ruhig und die Strassen sind nach wie vor kaum befahren, zumindest nicht von Autos. Wo sollen diese auch herkommen?

 

Wir finden ein günstiges Hotel und Ivan isst sein erstes traditionell nepalisches Essen: Dahl Baat. Leider hält sein Magen nicht so viel davon und so verbringt er die restlichen Abendstunden auf der Toilette und im Bett.

 

Tag 160: Nepal hat wirklich nichts mit dem Teil von Indien zu tun, den wir kennengelernt haben

Am Morgen geht es Ivan glücklicherweise wieder gut und wir machen uns auf ein weiteres Land zu erkunden. Die Strasse bleibt den ganzen Tag genauso ruhig wie auch schon gestern, wir werden von nicht mehr als drei Autos und fünf Bussen überholt.

 

Alle Lächeln uns zu und grüssen uns mit einer kleinen Verbeugung, die Handflächen aneinander gepresst, mit einem "Namaste". Die Kinder lassen alles stehen und liegen und kommen an die Strasse gerannt um uns mit einem "Bye-bye" zu grüssen. Wir fühlen uns wirklich willkommen!!

 

Jedes Mal, wenn wir fragen, ob wir ein Foto machen dürfen, sind die Leute stolz und posen sogar für uns.

 

Und so verbringen wir den Tag mit lächeln und winken, bis uns die Wangen wehtun. Und dann wird es Zeit für ein Nachtquartier. Wir fragen in einem Lehmhäuschen mit angrenzendem Wald, ob wir hier unser Zelt aufstellen können. Es wird gar nicht gezögert, sondern direkt zugestimmt.

 

Innerhalb kürzester Zeit sind wir von einer Kinderschah umrundet und es kommen immer mehr. Irgendwann kommen zwei Schwestern, die ein bisschen englisch sprechen. Wir teilen unsere gekochten Bratnudeln mit ihnen, zeigen unsere Fotos und erzählen ein bisschen wie es denn in der Schweiz aussieht. Innerhalb kürzester Zeit werde ich "sister" und Ivan "brother" genannt und auch den ganzen Abend so angesprochen. Selbst ihre Armreifen wollen sie mir schenken, aber gottseidank ist meine Hand zu breit.

Und dann werden sie bald nach Hause gerufen, dafür kommen noch andere Kinder.

Als wir dann unser Zelt zumachen wollen, um zu schlafen, haben wir noch immer faszinierte Kinder um uns, die selbst noch unter dem geschlossenen Zelt hindurch spinksen. Dann kommen noch die Brüder der beiden Schwestern und laden uns in ihr Haus ein, da wie hier im Dschungel sind und es Tiger gibt. Wir sind aber zu faul alles nochmal abzubauen und hoffen einfach, dass schon kein Tiger kommen wird.

 

Tag 161: Wie schnell man Kinder in sein Herz schliessen kann

Am nächsten Morgen stehen die beiden Schwestern wieder neben unserem Zelt um uns Tschüss zu sagen. Die eine hat schon gestern angekündigt, dass sie mit nach Deutschland kommen möchte.

 

Die Nacht war unglaublich. Wir haben uns richtig im Dschungel gefühlt. Der kleine Bach rauschte, Vögel sangen und die Blätter rauschten. Es ist nicht leicht zu beschreiben, wie sich ein Dschungel in der Nacht anhört, aber es ist eine Mischung aus Genuss und Anspannung, dass vielleicht doch irgendwann ein Tiger um die Ecke kommt, denn dass es diese nicht weit von hier gibt, wissen wir.

 

Und dann heisst es Abschied nehmen! Noch den ganzen Tag bin ich traurig sie einfach so zurückzulassen. Es ist unglaublich, wie zwei Mädchen im Alter von 15 und 16 Jahren einen so vorbehaltslos und voller Liebe in ihre Familie aufnehmen können. Noch jetzt, wenn ich diese Zeilen schreibe, würde ich am liebsten zurückfahren und mehr Zeit mit ihnen verbringen. Leider habe ich nicht ihre Adresse und Internet haben sie auch nicht. Das Einzige, was ich weiss, dass sie in einem der drei Lehmhäusern circa 3 km vor dem Ghoda Ghodi See wohnen.

Zum Mittagessen treffen wir einen Franzosen, der mit dem Motorrad unterwegs ist und sich uns anschliesst um den Bardia Nationalpark zu besuchen. Um hierher zu gelangen stehen uns 13 km Buckelpiste bevor, die aber belohnt wird, da es vorbei an kleinen Dörfern aus den lokalen Lehmhäusern geht, wo jeder seinen landwirtschaftlichen Aufgaben nachgeht und diese unterbricht um uns mit einem "Namaste" zu begrüssen. Was für ein Paradies! Dann werden wir noch von Anna, einer Deutschen, und John, einem Schweden, ebenfalls auf einem Motorrad, überholt. Wir machen noch schnell ab, dass wir in dasselbe Hotel gehen und treffen uns dann dort wieder; In einem ruhigen, quasi an den Nationalpark angrenzenden Garten.

 

Zwischen den verschiedenen Optionen für Safaris wählen wir zusammen mit Anna und John die Erkundung des Nationalpark in einer Tagestour zur Fuss. Durchaus aufregend, schliesslich gibt es hier zwischen vielen anderen Tieren Tiger, Nashörner, Wildelefanten und Krokodile. Vielleicht bekommen wir ja eines dieser zu sehen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit nicht allzu hoch sind. Aber wir versuchen mal unser Glück!

Tag 162: Den Tigern auf den Fersen

Schon beim einschlafen hatte ich Bauchschmerzen und später in der Nacht wurden diese noch schlimmer. Aber das sind wir ja inzwischen gewohnt und ich hoffe mal, dass es morgen wie gewöhnlich wieder weg ist. Und so ist es dann auch als der Wecker um 5:45 Uhr klingelt.

Zum Frühstück gibt es Porridge, Bratkartoffeln, Omlett und Toast. Ich halte mich noch brav zurück, schliesslich will ich meinen Bauch nicht gleich überfordern.

Unser Safari-Guide und Ivan nehmen noch einen Bambus-Stock mit. Auf dem Weg in dem Fussweg zum Nationalpark wird uns erklärt wie man sich Verhalten muss, wenn wir die einzelnen Tiere treffen. Falls uns ein Nashorn jagt, muss man im grossen Zick-Zack davon laufen und am besten einen Hut oder ähnliches zurücklassen, da das Nashorn zwar eine gute Nase, aber sehr schlechte Augen hat. Wenn wir einen Tiger treffen, heisst es Augenkontakt halten und ruhig rückwärts gehen, keine schnellen Bewegungen. Und bei einem Elefanten einfach so schnell es geht laufen. Idealerweise in ein steiniges Flussbett, da der Elefant weiche Füsse hat und nicht gut auf Steinen laufen kann. Gut, dann wissen wir also Bescheid!

Nach einigen Hundertmetern sind wir an der Grenze des Nationalparks angekommen. Vorbei an Grasslandschaften geht es durch hohes Gestrüpp zum ersten Aussichtsturm. Hier warten wir ein bisschen, denn wer etwas sehen will braucht Geduld. Wir sehen einen Pfau und ein paar Rehe aus der Ferne. Mit einem Fernglass bewaffnet blicken wir in alle Richtungen. Viel tut sich nicht.

Dann geht es weiter durchs Dickicht. Und obwohl wir überall suchen, sehen wir nicht viel. Zum Mittagessen erreichen wir dann einen Ort, der angeblich einer der besten Orte ist, um das Wildleben zu beobachten. Wir sind hinter ein paar Bäumen gut versteckt und haben Sicht auf ein relativ leeres Flussbett und viel Dschungel drumherum. Im Fluss tut sich etwas und wir sehen ein Krokodil, welches in aller Seelenruhe von einer Seite an die andere schwimmt und dann halb im Wasser liegen bleibt. Ein bisschen weiter links grasst eine ganze Herde von Wild mit teils riesigen Geweihen. Dann springt ein Gepard aus dem hohen Grass und nimmt Jagd auf die fliehende Herde. Sekunden später ist es erneut still. Obwohl es erst 11 Uhr ist, haben wir alles schon Riesenhunger und so packt der Guide unser Essen aus. Nach dem Essen bleiben wir noch circa 2 Stunden an diesem Ort, schlafen ein bisschen und warten bis die grösste Mittagshitze vorbei ist. Das denken sich wahrscheinlich auch Tiger und Nashörner, denn blicken lassen sie sich nicht.

An einem anderen Ort haben wir noch das Glück unglaublich nah eine Herde anderen Wilds zu beobachten. Spannender als man so denkt. Auch wenn wir sonst nicht mehr viel zu Gesicht bekommen, hat sich der Tag definitiv gelohnt. Am Ende gibt es noch einen Besuch in der Auffangstation, wo wir doch noch einen Elefanten, wenn auch nicht Wildelefanten, und ein Nashorn zu Gesicht bekommen. Müde von der Hitze und vom vielen gehen, was wir nun wirklich nicht mehr gewohnt sind, kehren wir in unseren Hotelgarten zurück. Und dann gibt es noch die besten Bananenpfannkuchen, die wir je gegessen haben. Guten Appetit!

Tag 163: Maoisten an die Macht

Nachdem eine Ratte die ganze Nacht irgendetwas angeknabbert hat und ich Angst hatte, dass es unsere Fahrradtaschen sind und jedesmal aufgestanden bin, bin ich froh, dass ich mich um 7 Uhr mit Anna zum Yoga verabredet habe. Nach einer halben Stunde Yoga und 2 weiteren Bananenpfannkuchen heisst es sich von Anna und John verabschieden und die 13km Buckelpiste zurück zur Hauptstrasse hinter uns bringen.

Von Anna haben wir erfahren, dass am 16. März das Holi-Festival, auch Farben-Festival genannt, gefeiert wird. Und dazu wollen wir in Kathmandu sein!!! Mit dem Fahrrad fehlen uns ca. 2-3 Tage und so beschliessen wir, per LKW-Stopp ein paar Kilometer einzusparen.

Wir haben Glück und der zweite LKW hält an. Die Fahrräder sind schnell auf der leeren Ladefläche verstaut. Das "Cockpit" scheint beachtlich gross auch wenn wir mit Fahrer und zwei Beifahrern bereits zu fünft sind. Das dachte wohl die Besatzung auch, denn wenig später werden wir wieder angehalten und 8 weitere Personen steigen ein. Also fahren wir die nächsten zwei Stunden zusammengefercht zu 13t in einem LKW-Cockpit und springen bei jedem Loch in der Strasse auf und ab und werden beim überholen von links nach rechts und wieder zurück geschmissen. Jetzt sehen wir die Strasse auch mal aus dieser Perspektive...es wird immer munter Gas gegeben auch wenn genau zu sehen ist, das in 100 Meter kein durchkommen ist. Dann hupt man eben und hofft, dass sich doch noch eine gerade LKW-breite Lücke auftut oder die Ziege in letzter Minute doch noch zur Seite springt. Falls dies nicht der Fall ist, heisst es eben quietschend bremsen. (In Zukunft werde ich den Lastwagen doch öfter ausweichen als bisher).

Und dann werden wir wieder abgesetzt und können in Ruhe mit dem Fahrrad weiterfahren.

Zum Abend fragen wir wieder bei einer Familie, die uns schon munter gegrüsst hatte, ob wir unser Zelt aufstellen können. Gar keine Frage, natürlich! Der Vater ist begeisterter Kommunist und hat im 10-jährigen Bürgerkrieg hier in Nepal bis 2006 für die Maoisten gegen die Monarchen und das Kastensystem gekämpft, die jetzt in einer Koalition an der Macht sind. Stolz zeigt er uns Fotos von ihm als Soldat. Und dann stellt er uns seine Familie vor, seinen 3-jährigen Sohn und seine Frau. Er sagt, sie seien zu dritt, wird dann aber von seiner Frau korrigiert, da sie offenbar noch eine Tochter haben und eigentlich zu viert sind. Diese bekommen wir aber nie zu Gesicht. Und dass Mädchen hier in Nepal eher als eine Last empfunden werden und Ehefrauen erst dann wirklich etwas Wert sind, wenn sie ihrem Mann einen Sohn gebehren, haben wir bereits gehört. Oft werden die Mädchen auch nach Indien "verkauft". Wir hoffen das Beste. Eventuell haben wir sie kurz mit der Grossmutter gesehen, sind uns aber nicht sicher. Auf jeden Fall wird sie uns nicht vorgestellt.

Zum Abendessen werden wir eingeladen und bis dahin wird jede Menge Haschisch in gerollten Blättern mit selbstgemachtem Grass-Filter geraucht. Kein Wunder, denn Marihuana wächst hier wie Unkraut an jeder Strassenböschung und gehört zur Kultur, auch wenn es offiziell illegal ist, haben wir schon von anderen Reisenden gehört, dass sie selbst mit der Polizei geraucht haben.

Nach einem Riesenberg Reis mit verschiedenen eingelegten Gemüsen und Dahl, gehen wir im Zelt schlafen. Gut, dass die Toiletten hier immer ausserhalb des Hauses sind und wir somit keinen stören müssen.

Tag 164: Und eine weitere Familie, die unser Herz erobert

Zum Frühstück bekommen wir noch gut gezuckerten Ingwertee und machen uns auf den Weg nach Lamahi zum frühstücken. Dort gibt es Omlett und noch zwei Brote, denn für mehr reicht unser Geld nicht. Und leider gibt es auch keinen Bankomat und schon allein deshalb beschliessen wir nochmals einen LKW zur nächstgrößeren Stadt zu suchen.

Glücklicherweise ist der LKW Checkpoint, an dem alle LKWs anhalten müssen und gewogen werden, nur 200m von unserem Frühstücksort entfernt. Schnell ist die Situation erklärt und der übernächste LKW, der schon komplett mit Kieselsteinen beladen ist, nimmt uns mit. Zwar ist das ganze wesentlich angenehmer, insbesondere für die Fahrräder, da der Lastwagen aufgrund des Gewichtes nicht wirklich springen kann, aber dafür sind wir auch kaum schneller als mit den Fahrrädern. Vorallem, als wir dann einfach irgendwo anhalten, was öfter mal vorkommt, uns aber keiner Bescheid sagt, dass hier Endstation ist. Irgendwann ist unsere Geduld des Wartens zu Ende und wir fragen nach. Mit der Übersetzungshilfe ein paar weiterer Menschen finden wir heraus, dass der LKW nicht weiterfährt, es aber einen Bus in 1,5 Stunden gäbe. Dann sind wir doch schneller mit dem Rad und so graben wir unsere Fahrräder und Ortliebs aus dem Kies aus (so sehen sie dann auch aus) und radeln munter weiter.

 

Genau wissen wir nicht wo wir sind, da wir keine Nepal-Karte auf dem GPS haben (Nepal war ja ursprünglich nicht geplant). Nur wissen wir, dass wir am Abend, als uns noch 25 km bis nach Butwal fehlen und Ivan schon Kopfschmerzen hat, in dem ersten Haus nach einer langen Dschungelpartie nachfragen, ob wir unser Zelt aufstellen können. Diesmal handelt es sich offensichtlich um eine zumindest etwas reichere Familie, da sie sogar ein "richtiges" Haus haben. Wir stellen unser Zelt auf und werden von der ganzen Familie dabei beobachtet. Schnell stellt sich heraus, dass insbesondere Gunja, die 18-jährige Tochter sehr gut Englisch spricht. Wir kochen unsere Nudeln mit Gemüse und geben einen Teller an die Kinder ab. Im Gegenzug kocht man noch extra für uns Reis mit einer speziellen, dünnflüssigen Soße.

Und dann hat auf einmal das Beschnuppern ein Ende und ich quatsche noch den ganzen Abend mit Gunja und ihrer Kusine. Diese tanzt sogar für uns. Bis um 20 Uhr das Licht ausgeht, denn das ist hier so geregelt. um 20 Uhr gibt es keinen Strom mehr bis zum nächsten Morgen, eines der Nachteile, wenn man ein Entwicklungsland ist, wie uns Gunja nüchtern erklärt. Desweiteren bekomme ich einen Kurs der verschiedenen Hindu-Festivals und eine Erklärung der verschiedenen Sahris, ein Tuch, welches die Frauen sich gekonnt um die Hüften knoten und ein Ende von vorne quer über die Schulter werfen. Gunjas Mutter und Tante tragen diese und auch sonst meist die etwas älteren Damen. Die jüngeren tragen eigentlich alle verschiedene Variationen meines indischen Outfits. Und hier in der Familie tragen sogar die Kinder und Männer europäische Kleidung.

Vor dem Schlafen gibt es noch ein Glas heiße Milch und danach können wir natürlich noch besser schlafen.

Tag 165: Heute gönnen wir uns mal einen Luxus

Die Hähne hier haben offensichtlich keine Uhren, denn bereits um 4 Uhr schreit der erste Hahn praktisch direkt neben unserem Kopfkissen und die anderen 5 stimmen ein. Wir erhalten unseren Halbschlaf immerhin bis 6:30 Uhr aufrecht, aber dann sind wir entgültig wach.

Wenig später ist auch Gunja wach und gibt uns noch eine Führung durch den Garten. Gunjas Grossfamilie ist praktisch kompletter Selbstversorger. Einmal im Jahr bauen sie Reis an, welches dann für das komplette Jahr reicht, auch als Hühnerfutter, und teilweise sogar verkauft werden kann. Ansonsten haben sie so ziemlich jedes Gemüse je nach Saison, einen riesen Mango- und einen Litchie-Baum. Zwei Büffel, ein paar Ziegen und haufenweise Hühner. Das ist hier in dieser Gegend auch die Norm. Das merken wir insbesondere dann, wenn wir Gemüse kaufen wollen. Es gibt immer nur einen Laden im ganzen Dorf, da fast keiner etwas kaufen muss.

Da im Hinduismus Gäste wie Götter betrachtet werden, bekommen wir selbstverständlich auch Frühstück. Und was für eines! Füllend und richtig lecker. Insbesondere eine rote Sosse namens Masala, die auf dem Mahlstein aus Chili, Tomaten und zubereitet wird und natürlich Reis.

Und dann müssen wir leider doch irgendwann aufbrechen. Gunja hat zwar erst um 10 Uhr Schule, das ist hier so, weil viele Kinder sehr lange Wege haben. Die Universität fängt sogar erst um 11 Uhr an, weil es nur wenige Universitäten gibt und somit die Wege noch länger sind.

Wir radeln die 25 km bis nach Butwal und kaufen alles nach, was uns inzwischen ausgegangen ist. Und dann machen wir noch ein letztes Mal Autostop, diesmal mit einem Pick-up und wir sitzen mit unseren Fahrrädern auf der Ladefläche und hoppeln munter auf und ab, insbesondere als eine Brücke kaputt ist und wir stattdessen durchs steinige Flussbett fahren müssen. (Wahrscheinlich hat der Fahrer uns längst vergessen.) Ivan muss irgendwann so dringend auf Toilette, dass er beschliesst in eine Flasche zu machen; das Foto erspare ich euch an dieser Stelle.

Mit mehr blauen Flecken am Hintern als vom Fahrradfahren steigen wir in Naranyagarh aus. In Bharatpur, der Zwillingsstadt gleich nebenan suchen wir dann ein Hotel und werden schnell fündig. Es hat sogar ein 25-Meter-Schwimmbad. Und das können wir uns nicht entgehen lassen, da wir doch das letzte Mal vor Ewigkeiten schwimmen waren. Wenn wir vom Übernachtungs-Preis den Eintritt für uns beide in ein Zürcher Schwimmbad abziehen, dann ist das Hotel auch so gut wie gratis. Es kommt eben immer auf die Perspektive an. Das Schwimmen haben wir gottseidank noch nicht verlernt, aber unsere Arme sind ganz schön schwer.

Zum Abendessen gibt es Momo, die fast ähnlich sind wie chinesische Ravioli ("Dumplings") allerdings nur mit vegetarischer Kohl-Füllung.

Tag 166: Die letzte flache Etappe in Nepal

Da ich meinen Blog-Eintrag über Indien noch unbedingt hochladen wollte, starten wir erst gegen 10 Uhr. Es passiert auch nicht viel bis kurz nach dem Mittagessen. Da hören wir plötzlich ein Klingeln hinter uns und ein Blick in den Rückspiegel enthüllt zwei Fahrräder mit Packtaschen. Ein Pärchen aus Barcelona. Da wir dasselbe Ziel haben beenden wir den Tag gemeinsam bis nach Hetauda, immerhin 80 km. Im Garten des Avocado Motels kochen wir ein riesen Chow-Min (Bratnudeln) damit wir auch für die kommende Bergetappe gewappnet sind. Diese werden wir allerdings wieder alleine bestreiten, da die Spanier den Bus nehmen wollen.

Tag 167: Einen Tag, den wir so schnell nicht vergessen werden

Dass uns 60 km bergauf bevorstehen wissen wir. Insgesamt werden wir von 400 Höhenmeter auf 2450 aufsteigen. Wieviel davon heute machbar ist, wissen wir nicht.

In den Kampf! Und genau das wird es auch. Bei brühender Hitze schwitzen wir so sehr, dass wir jede Stunde einen Liter trinken. Der Aufstieg erinnert uns ein bisschen an die Schweiz. Es gibt so gut wie keine Autos geschweige denn LKWs, da die Strasse einfach zu schmal und zu kurvig ist. Am Anfang gibt es noch kleine Dörfer in denen die Strasse mit Läden gesäumt ist, später gibt es so gut wie nichts mehr, nur Wald, Kurven und eine steile Strasse. Und irgendwann kommt dann doch noch ein Laden, dessen gesamt Keksvorrat wir aufkaufen.

Von 1700 Höhenmetern bis auf 2300 Höhenmeter machen wir alle 100 Höhenmeter eine Pause. Ein Blick auf den zurückgelegten Weg auf dem GPS zeigt, dass wir uns praktisch nicht vorwärts bewegt haben sondern nur auf der Stelle in Schlangenlinien gefahren sind. Und dann geht es einfach nicht mehr, unsere Kräfte versagen, es ist bereits 18 Uhr und die Sonne geht bald unter; ein Ort zum zelten muss her. Doch so einfach ist das nicht mitten auf einem Berg. Ich radle ein bisschen vor und sehe von oben ein paar Häuser mit blauen Dächern. Also wieder zurück und den Zugang suchen. Ein Schild klärt uns auf, dass es sich um eine Schule handelt, die Shree Lekali Basiphant Secondary School. Wir haben nichts zu verlieren und vor allem keine andere Wahl.

Erstmal scheint alles kein Problem, eine Frau zeigt uns einen Platz, wo wir unser Zelt aufstellen können. Doch gerade als wir fast fertig sind, kommt der Direktor der Schule, der auch Englisch spricht. Was jetzt ganz genau sein Problem ist, verstehen wir nicht, aber er schein hin und hergerissen. Er sagt, dass er uns ja wegen seiner Religion als Götter behandeln möchte, dass er aber auch die Verantwortung für diese Schule trägt. Er fragt also nach unseren Reisepässen und Visa und stellt als Bedingung, dass er uns etwas über die Schule erzählen darf. Gerne erfahren wir mehr uns folgen ihm in sein Büro.

Diese Schule wurde 1993 im Rahmen eines japanischen Hilfsprojekt gebaut. Sie hat 550 Kinder in den Klassen 1-10. Und da wir hier in den Bergen sind und es nur wenig Dörfer gibt, haben manche Kinder einen Schulweg von 2 Stunden zur Fuss. 50 Kinder, die sonst gar nicht hierher kämen, wohnen in der Schule. Wir sind beeindruckt. Und willigen gerne ein morgen etwas später aufzubrechen um noch ein paar Schüler zu treffen.

Gerne hätte der Schuldirektor gehabt, dass wir von einer Organisation sind und etwas tun können, um zu helfen. Das sind wir zwar nicht, aber im Zelt sammeln wir trotzdem ein paar Ideen.

Tag 168: Nehmen die Berge denn nie ein Ende?

Um 7 Uhr werden wir vom Direktor persönlich geweckt. Wir packen alles zusammen und bekommen dann von einem der 15 Lehrer eine Führung durch die Schule. Pro Klasse gibt es ein Häuschen, welches einen Saal enthält. Und dann noch ein paar Häuschen für die Schüler und Lehrer, die in der Schule schlafen. Ein Teil von Klasse 10, die Abschlussklasse, hat schon um 8 Uhr Unterricht. Und so werden wir auch direkt ins Klassenzimmer gebeten. Vor uns sitzen etwa 30 Schüler, 15 Mädchen auf den Schulbänken rechts, 15 Jungen auf den Schulbänken links. Der Direktor ist ihr Englisch-Lehrer und stellt uns vor. Er nutzt uns als Beispiel um den Schulern zu zeigen, dass man seine Träume erreichen kann und man dazu Bildung braucht. Dann müssen wir auch noch etwas sagen. Gerne hätte ich mir kurz etwas überlegt, aber dazu war keine Zeit. Und eingeleitet vom Direktor spreche ich also insbesondere die Mädchen an, um ihnen zu sagen wie wichtig Bildung ist und dass dies der Weg ist in ein anderes Leben. Und der Direktor unterstreicht noch, dass Frauen nicht nur zu Hause sein müssen, sondern dass sie gleichgestellt sind mit Männern und ebenso arbeiten gehen können, wenn sie natürlich die entsprechende Ausbildung haben. Dann werde ich noch nach meiner Ausbildung gefragt.

Diese 10 Minuten in der Klasse waren für mich unglaublich. Zu gerne hätte ich nach ihren Träumen gefragt und sie mehr motiviert diese zu erreichen und nicht nur wie ein Lehrer oder die Eltern gepredigt wie wichtig Bildung ist...naja. Was für mich wie eine Predigt klingt und was ich als Schüler wohl ignoriert hätte, scheint hier aber der allgemeine Unterrichtsstil zu sein. Der Lehrer sagt etwas wie "Seht ihr sie ist eine Frau und hat einen Job, mit dem sie Geld verdient hat um hier nach Nepal zu kommen, nicht?" und alle Schüler schreien laut "Ja, so ist es." Und gerne hätte ich gleich einen ganzen Tag unterrichtet, denn mir wird klar, was diese Worte für einen Unterschied im Leben der Schülerinnen und Schüler machen. Klar, wäre es schöner gar nicht erst unterrichten zu müssen, dass Männer und Frauen gleich sind, denn ich kann mich nicht erinnern dies einmal in meiner Schule gehört zu haben und trotzdem ist es für mich das normalste der Welt. Aber es ist ein Anfang!

Als der Direktor sagt, dass er Freiwillige braucht, überlegen wir kurz unsere letzten zwei Monate hier zu verbringen, müssen uns aber eingestehen, dass wir nicht wirklich viel helfen könnten. Stattdessen stellen wir die Verbindung zu AIESEC her, eine Studentenorganization, die Freiwillige "vermittelt".

Und dann geht es zurück ins Reiseleben. Die letzten 4 km bis zur Spitze scheinen heute einfacher als in unserer Vorstellung gestern. Und da sind wir nun, in Daman. Mit Blick auf die höchsten Berge des Himalayas. Hier frühstücken wir, mal wieder Reis.

Ich besichtige noch "kurz" einen buddhistischen Tempel mitten in den Bergen, zumindest war dies die Absicht, da Ivan ja auf die Fahrräder aufpassen musste. Aber kurz war leider nicht machbar. Es scheint, als wollten die Buddhisten Athleten aus all ihren Anhängern machen...anders kann ich mir den Pfad von etwa 1,5 Kilometern mit Treppen bergauf und bergab bis hin zum Tempel nicht erklären. Und weil ich Ivan nicht so lange warten lassen möchte, mache ich auf dem Rückweg mein erstes "Treppen-Training" seit 6 Monaten.

Die Abfahrt geht vorbei an etlichen Terassen-Feldern, die für uns so weit weg von den Häusern und Strassen erscheinen, dass es unglaublich schwierig sein muss, das gepflanzte zu ernten und nach Hause zu transportieren. Wir hüpfen wie ein Popcorn (ein schöner Vergleich von Ivan) die kurvige Strasse hinunter, denn an Hubbeln und Löchern mangelt es nicht. (Nein, das im Hintergrund im Bild unten sind keine Wolken, sondern der Himalaya)

Im ersten Tal angekommen gibt es eine kurze Pause und dann geht es nochmal 7 km bergauf, zurück auf 2300m. Nach stundenlangem bergab fahren, was wirklich anstrengend ist, wenn man nicht schneller als maximal 15 kmh fahren kann aufgrund der Löcher, und halb ausgehungert, da wir schon bei etlichen Häusern, die restaurant-ähnlich aussahen, vergeblich nach Essen gefragt haben, erreichen wir das Himal Resort. Gut, Resort ist übertrieben, allenfalls der Ausblick des Restaurants rechtfertigt diesen Namen. Aber das ist uns egal, hauptsache etwas zu essen und ein Bett. Und dann gönne ich mir zum ersten Mal seit Beginn der Reise ein Bier, es ist zwar ein dänisches Tuborg (wem hier eingefallen ist dänisches Bier zu importieren, kann ich nicht verstehen) aber es fehlt nur ein Kilometer bis nach Naubise, der Stadt, die schon wieder in einem Tal liegt. Voller Erschrecken stellen wir fest, dass die Autos in der Ferne sich schon wieder einen Berg hochwinden. Von diesem wussten wir nichts. Aber mit dem beschäftigen wir uns dann morgen.

Wir warten bereits 1,5 Stunden auf unser Essen, als ich in die Küche gehe um nachzufragen. Der Koch war eingeschlafen. Ich wecke ihn auf und er verspricht uns, dass wir in 10 Minuten unser Essen haben. Und diesmal stimmt es.

Tag 169: Die 25 längsten Kilometer seit Beginn der Reise

25 Kilometer bis nach Kathmandu. So schlimm kann es schon nicht werden, denken wir. Aber hätten wir gewusst, was uns heute erwartet, wären wir wohl nicht aufgestanden.

Gleich 100 Meter nach dem Hotel stellen wir fest, dass die Kinder schon verfrüht das Holy-Festival feiern, denn mich erwischt eine Wasserbombe am Fahrrad. Aber schlimm ist das ja nicht, schliesslich ist es warm. Und so wünschen wir nur ein "Happy Holy!"

In Naubise gibt es Frühstück, Omlett aber leider ohne Chilli. Man merkt, dass man hier die Gewohnheiten der Touristen kennt. Und dann geht es bergauf. Zusammen mit den LKWs schlängeln wir uns den Berg hinauf, über Sand und Schlamm und einem Staub, so dass man teilweise die Strasse nicht mehr sehen kann. Schön ist was anderes. In Minuten sind wir mit Staub bedeckt und ziehen uns einen Mundschutz an, da man sonst nicht atmen kann. Und dann müssen wir auch noch Angst haben, dass uns ein LKW den Berg hinunterstupst, da es keinen Mindestabstand zu Fahrrädern gibt und dieser manchmal auf unter Null sinkt und wir keine Wahl haben ausser anzuhalten.

Und dann Kathmandu, ein grosses Chaos. In vielen Teilen gibt es Stau, teilweise qutschen sich die Auto und Busse zu dritt nebeneinander in einer Spur. Nur die Bands auf einigen Bussen muntern uns auf...Da wird getrommelt und gedudelsackt und gitarriert (Das Video können wir leider nicht hochladen, gibt es dann aber hoffentlich irgendwann in einem Film). Wir wissen, dass es nun wirklich nicht mehr weit sein kann und fragen immer mal wieder nach Thamel, dem Ortsteil, wo wir ein Hotel suchen möchten.

Zwei Stunden später haben wir unser Hotel gefunden (Hotel Horizon), welches am Ende einer Seitenstrasse liegt und wirklich ruhig und stressfrei ist. Mitten im Touristenviertel mit Läden ohne Ende. Was es da alles zu kaufen gibt finden wir auch noch raus, aber erstmal etwas essen. Und zwar Spaghetti Cabonara und ein Hähnchenschnitzel. Wir fühlen uns auf Wolke 7.

Und dann stellen wir sogar fest, dass wir einen Tag früher angekommen sind, als wir geplant hatten. Das Holy-Festival ist erst übermorgen. Aber umso besser.

 

No comments:

Post a Comment