February 13, 2014

Tag 89 bis 102: Abschied von der Türkei - Willkommen im Iran

Tag 89: Endlich geht es weiter!

Um 12:00 Uhr geht unser Bus nach Sivas. Mit Sack und Pack machen wir uns auf den Weg zum Bus-Terminal. Der Bus ist superpünktlich, nur über unsere 3 Fahrräder ist man nicht so glücklich und überbesetzt ist der Bus auch, so dass für uns zwar Platz gemacht wird, denn unsere Plätze waren schliesslich reserviert, aber 2 Leute müssen im Gang sitzen).

Nach Sivas ist es nur 120km. Man sagte uns, dass es um 18:00 Uhr einen Anschluss-Nachtbus direkt nach Dogubayazit, die Grenzstadt, gibt. In Sivas angekommen, scheint es diesen Bus auf einmal nicht mehr zu geben, stattdessen aber um 23:30 Uhr. Wir haben keine Wahl und kaufen die Tickets für diesen Bus, auch die Fahrräder seien kein Problem. Der Bus um 23:30 scheint dann plötzlich doch keinen Platz für die Fahrräder zu haben und so warten wir insgesamt 11,5 Stunden bis 1:30 Uhr in einem Busterminal mit gefühlten 3 Grad....brrrr.

Immerhin die Mitarbeiter im Restaurant versuchen uns die Zeit zu verkürzen und bringen uns Tee und türkisches Baklava mit Erklärung, dass dies eine türkische Spezialität sei. Sie können ja nicht wissen, dass wir schon einen Monat in der Türkei sind :-).

Um 1:30 Uhr kommt dann doch noch ein Bus...wir müssen nochmal 50 TL (ca. 20 €) an den Busfahrer zahlen, angeblich wegen der Fahrräder. Protest hilf nicht.

 

Tag 90: Busfahren soll einfacher sein als Fahrradfahren?

 

Anscheinend hatte der Bus in der Nacht einige Probleme und Reparaturen nötig, ich habe davon aber nichts bemerkt und wache erst kurz vor Agri wieder auf.

Völlig unerwartet schmeisst man uns hier samt Fahrräder aus dem Bus, da dieser anscheinend nicht direkt nach Dogubayazit fährt. Auch gut, also nochmal umsteigen, was mit den Fahrrädern und den ganzen Packtaschen, insgesamt 12 Stück für Ivan und mich, immer ein schönes Touwabou ist.

Um 11:00 Uhr kommen wir doch noch an unserem Wunschzielort an: Dogubayazit, 30km vor der türkisch-iranischen Grenze und 10km vom Berg Ararat, mit über 5000m dem höchsten Berg in der Türkei, entfernt.

Vom Terminal bis zum Hotel (Hotel Tahran) ist es ein Stück und so rutschen wir über die ca. 4cm dicke Eisschicht, die einen Großteil der Strasse bedeckt.

Im Hotel angekommen, schlafen wir erstmal ein paar Stündchen und merken dann, dass ja schon Heilig Abend ist. Schnell werden noch die letzten Geschenke fertig für´s Wichteln fertiggebastelt, Kuchen und Kekse gekauft und unser Weihnachtsbaum aus grüner Jacke rotem Schal und Kopflampen zusammengestellt. Im Rahmen der Möglichkeiten sind wir echt stolz, denn Weihnachten ist und bleibt hier ein Fremdwort.

Nach Weihnachtsliedern auf deutsch, spanisch und französisch gibt es dann Geschenke.

Für Michael gibt es ein selbstgebasteltes Papp-Fahrrad mit Anhänder und einem Gedicht darin, für Ivan eine Herzchenschachtel mit 20 gerollten Zettelchen, mit jeweils einer Beschreibung eines schönen Moments aus unserer Beziehung und für mich ein ausgedrucktes Foto von Ivan und mir.

Ein schönes Weihnachtsfest mit viel Improvisation.

Frohe Weihnachten!!!

 

Tag 91 und 92: Die letzten Tage in der Türkei

 

Wir nehmen uns noch zwei Tage Zeit um einen osmanischen Palast zu besuchen und endlich in ein Hamam zu gehen und uns voneinander zu verabschieden, denn Michael fährt nun Richtung Georgia, wir in den Iran.

 

Das Hamam war für mich nicht der Rede wert, ich wurde zwar gründlich gewaschen und jegliche tote Haut von mir runter gerubbelt, aber die Massage war mehr eine Streicheleinheit. Für die Jungs hingegen war es wohl ziemlich beeindruckend und entspannend. (Männer und Frauen Hammams sind selbstverständlich in unterschiedlichen Gebäuden.)

 

Ausserdem muss ich noch mein gesetzlich vorgeschriebenes "Outfit" für den Iran vorbereiten. Ein Kopftuch hatte ich bereits in Istanbul gekauft. Jetzt fehlte nur noch eine "Po-Bedeckung", also eine Art Mantel, die bis zu den Kniekehlen reicht.

Und da der Iran aufgrund von Sanktionen für sein Atomprogramm gänzlich vom internationalen Bankennetz abgeschnitten ist, müssen wir alles Geld in bar mitnehmen. Wir beuten also unsere Kreditkarten bis zum Limit aus und tauschen alles in Euro um...da wir sämtliches in 5-, 10- und 20-Euro-Scheinen erhalten, verlassen wir das Geldtauschbüro mit einem ganzen Haufen Geld.

So langsam haben wir dann auch wirklich genug von der Türkei, deren Gastwirtschaft der Leute uns wirklich zutiefst beeindruckt und berührt hat, aber wo Gleichberechtigung und Unabhängigkeit von Frauen noch einen weiten Weg vor sich haben.


Tag 93: Tschüss Michael

Es ist soweit, nach fast 6 Wochen zusammen, müssen wir uns von Michael verabschieden. Traurig und ungewohnt, dass wir jetzt auf einmal wieder alleine sind. Aber wir hatten eine superschöne Zeit und es war bestimmt nicht das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben.

Wir machen uns also auf den Weg für 70km bis Maku, der ersten iranischen Stadt in der wir einen Bus nehmen können. Gottseidank scheint die Sonne, denn auch so ist es einfach tierisch kalt, -15 Grad laut Wetterbericht. Wir kommen aber schnell voran und erreichen die Grenze gegen 11 Uhr. Wir tauschen 100 € und erhalten dafür 350.000 Iranische Rial, ein noch grösserer Stapel.

Wie immer dauert es ein biesschen an der Grenze, leider lässt man uns auf türkischer Seite im Kalten warten und so hüpfen wir wie zwei kleine Flummies auf und ab und schleudern unsere Arme dazu im Windmühlen-Stil...bestimmt ein lustiger Anblick. Auf iranischer Seite warten wir dann im Warmen. Man fragt mich noch genau nach meinem Beruf, aber lässt uns dann auch recht bald gehen. Wir beschliessen schnell nach Maku weiterzufahren. Irgendwann sind Ivans Füsse und Hände aber so kalt, dass wir kurz für einen Tee anhalten. Danach ist dann auch noch die Sonne weg und meine Füsse und Hände wollen sich auch nicht mehr aufwärmen. Als wir dann endlich das Busterminal erreichen, können wir unsere Hände und Füsse über einem Ofen auftauen und meine Hände tun so sehr weh, wie noch nie in meinem Leben. Damit ist die Entscheidung dann auch entgültig gefallen, wir nehmen einen Bus über Teheran bis nach Esfahan. Blöd nur, dass Freitag Mittag ist und alle Busse nach Teheran voll sind. Erst am folgenden Tag um 18:30 Uhr fährt der nächste. Egal, den nehmen wir. Wir kaufen die Tickets und fahren notgedrungen nochmal durch die Kälte 3km bis zum nächsten Hotel.

Unser Ticket ist natürlich komplett in persisch und zeigt als Datum den 16-10-1392 an, natürlich auch in persischen Ziffern, aber die können wir ja schon. Nichtmals den Zielort können wir lesen, aber wir vertrauen mal in den Verkäufer :-)

Im Hotel stellt sich dann auch direkt heraus, wie unpraktisch es ist, wenn die Toilette nicht im Zimmer ist. Jedes Mal, wenn ich auf Toilette muss, muss ich mich erstmal "in Schale werfen". Naja, ich habe ja einen Monat um mich daran zu gewöhnen.

Tag 94: Luxus-Busse und erste Kontakte

Wir schlafen erstmal aus und räumen dann unser Zimmer. Trotz aller Kälte drehen wir eine kleine Runde in der Stadt. Mit unser farbenfrohen Kleidung fallen wir direkt auf und jeder schaut uns und spricht uns an...nicht uns, sondern nur Ivan, denn Männer dürfen Frauen hier praktisch nicht ansprechen.

Wir schlendern vorbei an Schaufenstern und es ist merkwürdig, alle weiblichen Schaufensterpuppen mit Hijab (Kopftuch auf Persisch) und langen, den Po-bedeckenden Oberteilen zu sehen.

Im Vergleich zur Türkei fällt uns direkt auf, dass die Frauen hier ganz anders sind. Es gibt viel mehr Frauen in der Strasse und man merkt, dass sie ihr Schicksal nicht so einfach hinnehmen. Die Kopftücher werden so weit hinten wie nur irgendwie möglich getragen, manchmal ist nur noch der Dutt am Hinterkopf bedeckt.

Zum Mittagessen gibt es einen Cheeseburger für ca. einen Euro und gottseidank fragen wir noch nach der Uhrzeit, denn zwischen der Türkei und hier gibt es eine Zeitverschiebung von 1.5 Stunden und wir hätten glatt noch den Bus verpasst.

Mit viel warten bekommen wir den Tag rum und nehmen unseren Bus nach Teheran um 18:30 Uhr. Als wir den Bus betreten, trauen wir unseren Augen kaum. Die Sitze gleichen 1. Klasse-Sitzen im Flugzeug, mit viel Platz und hochklappbarem Fussteil. So lässt es sich reisen. Wir schlafen fast die ganze Zeit und werden nur zum Essen einmal aus dem Bus geschmissen. Da es aber schon für jeden Passagier ein Lunchpaket aus Keksen und Kuchen gab, haben wir keinen Hunger und freuen uns nur über ein bisschen frische Luft.

Tag 95: Kauderwelsch in Teheran und die ersten iranischen Freunde

Um 6:30 Uhr kommen wir in Teheran an. Da Ivan das Fussteil seines Sitzes beim Versuch es hochzustellen kaputt gemacht hat müssen wir noch 10 Euro extra zahlen.

In aller Frühe auf dem Busbahnhof von Teheran, einer Stadt mit 11 Millionen Einwohnern, aufzuwachen und abgesetzt zu werden, gleicht etwa einem unerwarteten Stoss in 4 Grad kaltes Wasser. Alle Menschen hasten an uns vorbei und wir fragen ca. 20 Personen, ob sie Englisch sprechen, haben aber kein Glück. Lesen können wir sowieso nichts, da alles in Farsi (Persisch) geschrieben ist. Eigentlich wissen wir auch gar nicht so genau, was wir denn fragen wollen. Also sammeln wir uns und fragen nach dem Abfahrtsort für einen Bus nach Esfahan. Nachdem man uns in sämtliche Richtungen geschickt hat, finden wir endlich das Ticket-Büro. Der Bus geht in einer Stunde und so haben wir gerade noch Zeit für ein Frühstück. Wenn wir doch nur das Menü lesen könnten.

Auch hier schlafen wir wieder die meiste Zeit, freunden uns aber schnell mit den Leuten um uns herum an. Auf der anderen Seite des Ganges von Ivan sitzt Reza. Mit ein paar Worten Englisch kommen wir ins Gespräch, oder besser er und Ivan, denn mit mir darf er ja praktisch nicht sprechen. Vor ihm sitzt noch eine Frau, die, wie wir später feststellen, wesentlich besser Englisch spricht, aber nicht unterbrechen kann. Somit fange ich dann ein kurzes Gespräch mit ihr an.

In der Pause kauft Reza Ivan ein Bier (natürlich alkoholfrei, alles andere ist verboten). Zum Abschied schenkt er uns seine Gesichtsmaske gegen die Kälte und Ohrenwärmer, da er unsere Fotos im Schnee gesehen hat. Unglaublich!!!

 

Die Ankunft in Esfahan ist deutlich relaxter, allein schon, weil die Sonne scheint und es bestimmt 10 bis 12 Grad warm ist.

Wir machen uns also auf die Suche nach einem Hotel und gerade als wir ankommen sehen wir bepackte Fahrräder auf dem Bürgersteig.

Was für ein Glück! Robin und Ophélie kommen aus Frankreich und sind auf dem Weg nach Australien. Schnell stellt sich heraus, dass auch noch ein zweites Pärchen gerade mit dem Fahrrad angekommen ist, Morgane und Jean-David aus der Schweiz, Lausanne auf dem Weg nach Nepal. Soviel Zufall kann es eigentlich gar nicht geben, denken wir uns.

Wir gehen gemeinsam essen und tauschen uns über Pläne und die bisherige Reise aus. Genial!

Tage 96 bis 99: Esfahan und ein unerwartetes, neues Jahr

Wir schlafen aus und machen uns auf den Weg die Stadt zu erkunden. Es gibt viel zu sehen: Brücken über den Fluss..., der leider zur Zeit vor Isfahan gestaut wurde, da es sonst im Frühjahr nicht genug Wasser gibt.


Den zweitgrössten Platz der Welt, das Imam Square, umgeben von einem überdachten Bazaar, der noch mehrere Kilometer in einem Labyrinth durch die Stadt führt.

 

Am nördlichen Ende des Platzes befindet sich die Imam Moschee, dessen Zentrum eine 51m-hohe Kuppel bildet. Wenn man in der Mitte unter der Kuppel steht und etwas ruft hört man ein 42-faches Echo...wow, beeindruckend.

Ebenfalls im Bazaar befindet sich ein Mini-Café einer super-lieben Iranierin unseren Alters. Auch dies zeigt wieder, dass die Frauen hier etwas aus ihrem Leben machen wollen (zwei Drittel aller Universitätsabgänger sind weiblich) und das unterstützen wir natürlich! Und so besuchen wir das Café jeden Tag und bringen auch unsere neuen Freunde hierher.

Am Tag 97 ist Silvester für uns und ein Feiertag für die Iraner. Wir werden von einer Parade vor unserem Hotel aufgeweckt. Den genauen Grund für den Feiertag erfahren wir nicht, da uns jeder etwas anderes sagt. Auf jeden Fall hat es etwas mit den Propheten zu tun. Auf der Strasse verteilen die Leute Essen und trinken kostenlos und am Abend kann man in gewissen Häusern sogar kostenlos zu Abend essen. So kommen wir zu einem Reispudding mit Safran.

Da Silvester ist, wollen wir zu sechst kochen und erledigen sämtliche Einkäufe. Für danach hat uns unsere Freundin aus dem Café eine Adresse gegeben, wo wir Silvester feiern können. Es ist für die armenische Bevölkerung, die christlich-orthodox ist. Angeblich kann man hier auch tanzen und trinken, solange man kein Moslem ist. Wir sind gespannt.

Wir kochen also im Hotel auf unseren Campingkochern. Auf dem Menü stehen sämtliche Salate, Spaghetti mit Tomatensosse und zum Nachtisch Obstsalat und Gaz, eine Spezialität aus dieser Stadt.

Danach nehmen wir ein Taxi zum angegebenen Ort. Entweder hat uns das Taxi an den falschen Ort gebracht oder man wollte uns nicht reinlassen. Auf jeden Fall wurden wir woanders hin geschickt. Unterwegs treffen wir dann den Weihnachtsmann und fragen ihn, wo man denn hier Silvester feiern könnte. Der muss es wissen, denken wir uns, denn es ist schliesslich der erste, den wir dieses Jahr zu Gesicht bekommen und er muss Armenier sein. Er schickt uns zu einer armenisch-orthodoxen Kirche, die jedoch noch geschlossen ist. Angeblich sollen die Türen um Mitternacht aufgehen und wir sind zwar nicht die einzigen, die warten, aber offenbar kann uns keiner so genau sagen, was hier passieren wird. Das neue Jahr beginnt und die Türen sind noch immer nicht geöffnet. Also gibt es Küsschen zwischen uns Mädels und Hände-Schütteln zwischen uns und unseren männlichen Freunden. Mehr wird in öffentlichen Plätzen nicht geduldet. An einen Kuss für Ivan ist gar nicht zu denken.

Endlich, um 0:20 Uhr öffnen sich die Türen und es wird stark kontrolliert, dass auch ja kein Moslem hereinkommt. Einer hat es geschafft, wird aber prompt wieder hinausgeschickt. Auf dem Platz im inneren stehen Weihnachtsbäume. In der Kirche erwartet uns dann ein armenischer Gottesdienst, nicht wirklich spannend, aber die Kirche ist beeindruckend.

Angeblich gehen die Leute nach dem Gottesdienst auf diese "Party", aber jedes Mal, wenn wir danach fragen, weiss keiner genaues bzw. uns wird abgeraten dorthin zu gehen, da es nur für Armenier sei. Also nehmen wir ein Taxi zurück ins Hotel und quatschen noch ein bisschen.

So kann man auch Silvester verbringen :-)

Tag 100: Unser erster Abend in einer Famillie

Eigentlich wollten wir schon heute aufbrechen, aber da wir jetzt zu sechst sind müssen wir uns abstimmen und wir haben uns auf morgen geeinigt. Dafür geht es aber für heute Abend in eine Familie der Website warmshowers.org.

Bereits morgens verlassen wir das Hotel zusammen mit den beiden Schweizern und schlendern noch ein bisschen durch die Stadt. Zwischen Falafel für 50 Cent, unser Hauptnahrungsmittel hier, und frischgepressten Säften für ebenfalls 50 Cent finden wir noch eine neue "Tunika", da die alte aus der Türkei sich als nicht sehr praktisch auf dem Fahrrad herausstellte.

Um 17:00 Uhr machen wir uns auf den Weg zu unseren Gastgebern, die recht weit ausserhalb der Stadt wohnen. Also irren wir fast 2 Stunden durch die Nacht und folgen mal dem einen Auto, welches uns ein Stück in die richtige Richtung bringt, mal dem anderen Motorrad, welches uns dann schliesslich direkt vor die Tür bringt.

Wir schlafen in der Wohnung von Hussein und seiner Frau, allerdings erwartet diese ein Kind ein einem Monat und ist somit im Haus ihrer Mutter. Das scheint wohl so Brauch zu sein. In dieser Zeit wohnt Ali, Husseins jüngerer Bruder, bei ihm. Wir werden komplett verwöhnt, mit Obst, Chips und Popcorn und erfahren um 22:00 Uhr, dass es dann auch noch Spaghetti zum Abendessen gibt. In diesem Zusammenhang lernen wir dann auch das Wort sansali, welches auf etwas abwertende, aber liebe Art einen Mann bezeichnet, der seiner Frau viel im Haushalt hilft. Man merkt ganz klar, dass dies hier noch nicht so üblich ist, aber wesentlich öfter und weniger Tabu als in der Türkei. Ausserdem erfahren wir viel über das Land und den Islam.

Das politische System im Iran umfasst auf der einen Seite einen demokratisch gewählten Präsidenten inklusive Parlament und auf der anderen Seite den spirituellen Leiter, der Ayatollah Khoumeni, mit einem Rat bestehend aus 6 islamischen Vetretern und 6 juristischen Vertretern, aber alle direkt oder indirekt durch den Ayatollah ausgewählt. Dieser Rat kann für jegliche Entscheidungen des Parlaments ein Veto einlegen und genau das ist auch schon das grosse Problem. Dies bedeutet, das der President kaum Macht hat und alle Entscheidungen vom nicht-gewählten Ayatollah beeinflusst werden können. So manche Menschen hier sagen uns, dass die ganze Welt zwar denkt, die Menschen im Iran seien Terroristen, aber dass der eigentliche Terrorist der Ayatollah sei.

Dass die Menschen hier definitiv keine Terroristen sind, kann ich nur bestätigen und jeder Europäer könnte noch so einiges von der Gastfreundlichkeit der Iraner lernen.

Man lässt Ivan und mich im Schlafzimmer schlafen und die beiden Brüder schlafen im Wohnzimmer. Einen Unterschied macht es kaum, da man sowieso auf dem Boden schläft und es kein Bett und auch keine Sofas gibt.

Tag 101: Sechs bepackte Fahrräder

Wir stehen recht früh auf, aber Hussein und sein Bruder sind schon weg. Hussein ist Postbote und wollte schon einen Teil vor dem Frühstück austragen. Um 7:30 Uhr kommt er zurück und macht uns Frühstück. Es gibt Brotfladen (so wie wir sie von Dürüm-Döner kennen) mit Karotten-Marmelade, einer iranischen Spezialität, und Halva (eine Sesam-Zucker-Paste).

Da wir in unterschiedlichen Familien geschlafen haben, hatten wir einen Treffpunkt ausgemacht und es klappt auch. Wir schlängeln uns zu sechst einmal quer durch Esfahan. Der Verkehr ist ein Chaos und wir müssen uns sehr konzentrieren, dass wir nicht von einer sich öffnenden Autotür erwischt werden, oder in ein Auto reinfahren, welches sich spontan entschlossen hatten rechts anzuhalten, oder aber sogar eines rückwärtsfahrenden Autos, weil es später angehalten hat als es wollte. Dies sind nur einige Möglichkeiten, wie man hier einen Unfall bauen könnte...

Einen kleinen Zwischenfall gibt es noch: Robin und Ophélie wollen noch ihre Räder aufpumpen und finden eine Werkstatt. Schnell sind die Räder aufgepumpt und am Ende wird plötzlich Geld dafür verlangt. Robin ist nicht bereit für ein bisschen Luft zu bezahlen und lässt wieder ein bisschen Luft aus seinen Rädern. Daraufhin geht der Mann aus der Werkstatt zu Ophélies Rad und macht das Ventil kaputt. Sowas ist uns wirklich noch nie passiert und alle um ihn herum sagen ihm, wie kindisch er handelt. Robin trägt Ophelies Fahrrad zur nächsten Werkstatt, wo man uns die nötigen Ersatzteile unter gar keinen Umständen bezahlen dürfen. Okay, selbst im Iran gibt es eine unfreundliche Person. Aber auch wirklich nur eine von den 85.000 in Iran.

Am Nachmittag treffen wir in Kelishad ein und beschliessen auch hier ein Quatier für die Nacht zu suchen, da das nächste Dorf erst in ca. 30km zu finden ist. Wir fragen, wo wir schlafen können und uns wird direkt das Haus der Strassenbauarbeiter angeboten. Glücklich nehmen wir an. Und wir haben sogar Glück und man kocht extra für uns. Jegliche Hilfe wird wie immer abgelehnt. Wir können das noch immer nicht wirklich fassen.

Später schlafen wir zusammen mit den zwei Arbeitern und einigen Ratten in dem einzig beheizten Raum. Es ist ungewöhnlich, dass keiner was dagegen hat, da man doch hier alles tut, um Frauen und Männer voneinander fernzuhalten. Es sei denn man ist verheiratet. Selbst in den Stadtbussen sitzen Männer vorne und Frauen hinten und in Langdistanz-Bussen werden solange die Sitzplätze getauscht, bis keine Frau neben einem Mann sitzt, der nicht ihr Ehemann ist oder sonstwie zur Familie gehört.

Tag 102: Ein bisschen europäisches Feeling

Natürlich lässt man uns nicht ohne Frühstück gehen. Weiter geht es durch die Wüste... Das Radfahren hier ist recht langweilig, da es einfach nur geradeaus geht, alles flach ist, es keine Bäume und auch sonst nichts interessantes gibt. Trotzdem ist das Gefühl in soviel Leere zu fahren ein neues. Zu sechst langweilt man sich auch nicht und so erreichen wir mir nicht dir nichts Varzaneh, der letzte Ort mit Menschen bevor uns 120 km in einer noch einsameren Wüste bevorstehen.

Da wir kein Mittagessen hatten, suchen wir wie immer nach einem Falafel-Imbiss. Dort werden wir dann auch prompt von Amrollah eingeladen. Wirklich unglaublich, obwohl wir zu sechst sind, lädt man uns noch immer ein. Wir beenden also unsere Falafel und folgen dann seinem Auto bis zu seinem Haus. Fehtemah, seine Frau, und zwei Kinder erwarten uns schon. Und es folgt ein unglaublicher Abend. Wir fühlen uns wie zu Hause. Die Kopftücher können wir nach einer gewissen Zeit abnehmen und auch sonst ist es einfach genial. Amrollah spiel Santoor, ein Xylophon-ähnliches Saiteninstrument, Fehtemah zeigt uns wie man Teppiche knüpft und Jean-David und Morgane zeigen ein paar ihrer Hebefiguren, die sie normalerweise auf dem Einrad machen, aber auch so sind sie beeindruckend.

Dann geht es noch in die nahegelegenden Sanddünen und dort haben wir einen Riesenspass. Da wir zu siebt sind und Amrollah nur einen Pickup mit offiziell 2 Plätzen hat, müssen jeweils 3 auf die Ladefläche und die restlichen vier quetschen sich vorne, ganz normal hier im Iran. Angekommen sprinten wir die Sanddünen hinauf. Da wir merken, dass Amrollah einfach unglaublich offen ist, wagen Ivan und ich es sogar uns umarmend wieder runterzurollen, was normalerweise hier undenkbar wäre.

 

Wieder zurück, führt Jean-David noch zwei Zaubertricks vor (zwei durchgeschnittene Schnüre, die wieder zu einer werden und einen Zahnstocher, den der Zuschauer zerbricht und der dann doch wieder ganz ist.) Robin spielt noch ein Lied auf seiner "Spacedrum", ein ca. 7kg schwere Instrument, ursprünglich aus der Schweiz, welches er durch die halbe Welt radelt.

Was für ein genialer Abend, mit viel Pantomime raten...so ist das nunmal immer, wenn wir kein Farsi und unsere Gastgeber nur ein paar Wort Englisch reden. Aber wir fühlen uns wirklich wie zu Hause.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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